Das Rätsel der Schriftrollen von Qumran
Nach der Legende fand 1947 ein Hirte, der eine verlorene Ziege suchte, in einer Höhle am Toten Meer Tonkrüge mit seltsamen Schriftrollen. Nachdem Experten den Fund in ihre Hände bekamen, war schnell klar, dass die Texte 2000 Jahre alt waren. Teilweise handelte es sich um biblische Bücher, aber es befanden sich auch Schriften zum religiösen Leben aus dieser Zeit darunter. Es gibt Gerüchte, dass die dort lebenden Beduinen schnell erkannten, dass es noch mehr Höhlen mit verborgenen Schriftrollen gab, und die dort aufgefundenen Rollen zerteilten, um einen höheren Preis zu erhandeln.
Wie dem auch sei, die meisten Schriften sind tatsächlich nur fragmentarisch erhalten, und es ist ein riesiges Puzzle, diese wieder zusammenzufügen. Aber auch das hohe Alter hat den Texten zugesetzt, und viele Fragmente wird man wohl nie zuordnen können. In der Nähe der Höhlen, die sich in Felsen befinden, die steil zum Toten Meer hin abfallen, wurde auch eine Siedlung aus der Zeit kurz vor dem jüdischen Aufstand 70 n. Chr. ausgegraben. Diese Siedlung, Qumran, ordnete man den sog. Essenern zu, und viele Archäologen glaubten, die Schriftrollen wurden von ihnen vor den Römern versteckt.
Die Essener waren eine jüdische Glaubensgemeinschaft mit eigenen Riten und Gebräuchen, und man nahm an, dass sie in ihrer abgeschiedenen Siedlung die aufgefundenen Texte von älteren Rollen kopiert und auch eigene religiöse Texte verfasst hatten. Sogar ein "Skriptorium", also ein Saal, der nur dem Zweck des Kopierens diente, glaubte man gefunden zu haben. Heute sieht man das etwas differenzierter. Die "Essener-Theorie" steht heute zunehmend unter Kritik. Einige Experten glauben sogar, dass manche Rollen aus dem Tempel von Jerusalem stammen, und von den Priestern in den abgelegenen Höhlen versteckt wurden, kurz bevor die Stadt von den Römern belagert wurde. Dazu passt auch der Fund einer Rolle aus Kupfer in einer der Höhlen, bei der offenbar von vergrabenen Schätzen die Rede ist. Die geografische Zuordnung der erwähnten Orte auf der Kupferrolle ist aber schwierig - selbst an den Orten, die man glaubte identifiziert zu haben, fand sich keine einzige antike Münze. Die in der Rolle angegebenen Mengen an Edelmetall können nach der Meinung mancher Archäologen aber nicht von den Essenern stammen, so dass man annimmt, sie stammen ebenfalls aus dem Tempel von Jerusalem. Möglicherweise hat nach dem Fall Jerusalems jemand die Schätze wieder ausgegraben, vielleicht Römer oder entkommene Juden, so dass heutige Archäologen das Nachsehen haben.
Soweit ich es verstanden habe, konnte eine konkrete Verbindung zu den frühen Christen noch nicht nachgewiesen werden. Die ersten Schriften über die Lehren Jesu wurden wohl kurz vor oder nach 70 n. Chr. verfasst, so dass es durchaus plausibel ist, dass ein Bezug zu Jesus nicht in den Qumran-Rollen zu finden ist. Ob es eine Verbindung zwischen der ausgegrabenen Siedlung Qumran und den Schriftrollen gibt, ist wie gesagt umstritten. Die meisten Rollenfragmente liegen heute in einem Museum in Ost-Jerusalem. Wie die Beziehung zwischen den Texten und den Essenern ist, und was Qumran für eine Funktion hatte, wird immer noch kontrovers diskutiert.
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